Einmal nicht ornithologisch, sondern ganz fantastisch kommt dieser Beitrag unseres Vogelkundlers Joachim Blank daher. Viel Spaß beim Lesen!
In der urigen Welt zwischen Altem Berg und Reckenbühl leben tausende Gestalten, reale und phantastische, kleine und große, dünne, dicke, wuschlige, glatte und sperrige. Nicht immer und nicht für jeden sind sie zu sehen. Man ahnt ihre Anwesenheit, doch sicher sein kann man sich nicht.
Im Nebel des Novembers, im Schutz des tanzenden Herbstlaubes aber auch im grellen Sonnenschein eines kalten Wintertages huschen sie manchmal vorbei. Oder sie stehen still und steif, mit den Konturen der knorrigen Bäume verschmelzend, direkt am Wegesrand ohne aufzufallen.
Steht da an der Betteleiche nicht ein alter, krummbuckliger Mann im graugrünen Lodenmantel? Was scharrt er mit dem dünnen Eschenzweig dort im Laub, dass die welken Blätter nur so fliegen? Und ein kleiner, schwarzer Hund springt um seine Beine. Oder ist das doch nur eine Amsel?
Gleich hinter der Eisernen Hand hütet ein mächtiges Riesenschwein sein Geheimnis. Es trägt große Kiesel im zottigen schwarzen Fell. Will es sie in dieser hüfttiefen Mulde verbergen? Welche Schätze hat es wohl schon gesammelt, welche geheimen Kräfte angespart?
Am alten Steinbruch steht eine leidvoll klapprige, pferdeähnliche Gestalt. Auf seine Vorderbeine gekniet hängt das Fell in Fetzen herunter. Fast scheint es, als könne man durch die Rippen in sein Inneres sehen. Und bewegt sich dort nicht sogar etwas? Wie ein Herzschlag hüpft es im Bauch des geduldigen Zotteltieres - empört zeternd über die unverhoffte Begegnung.
Durch den Kalkgrund schwebt eine Tänzerin im Efeukostüm. Getragen von blendenden Sonnenstrahlen verschwimmen ihre Drehungen mit den Takten der wogenden Bäume. Ein leichter Wind verwirrt die Sinne und haucht allen Zuschauern Leben ein.
Auf dem ausgedienten, alten Weg zittern sich braune Zwerge in luftigen Papierhemdchen zum nächsten Lichtstrahl. Sie rascheln sorglos, wohlwissend, dass ihre wahre Gestalt noch lange verborgen bleibt. Viele Kräfte werden sie bis dahin durchströmen, sie stärken oder krümmen, ihr Wesen verändern und sie unentbehrlich machen.
Selbst unter der Erde ziehen geheimnisvolle Kreaturen ihre Kreise. Nur selten kommen sie an die Oberfläche. Doch manchmal kann man sie entdecken, mehr hören und fühlen als wirklich sehen. Ein unförmiger Buckel, eine sanfte Erhebung im weichen Waldboden. Über die laubbedeckte Haut des vermeintlichen Wales rollen unregelmäßige Wellen wie bewusst gesetzte Pulsschläge. Die Ausmaße sind kaum vorstellbar. Wohl das meiste bleibt verborgen. Oder sind es nur Waldmäuse, die den alten Erdwall am Ihlefeld bevölkern?
Sie teilen sich den Wald, verändern und verlieren sich, ganz selbstverständlich, Jahr um Jahr.
Joachim Blank