Wir starten unsere Mehrtageswanderung an der Thiemsburg und der Schwarzspecht empfängt uns mit seinen Rufen direkt beim Eintreten in den Nationalpark Hainich. Ein rascher Blick in die Höhe und wir entdecken ihn. Was für ein Auftakt! Auf den Wiesen zum Craulaer Kreuz wimmelt es von Schlüsselblumen und überall am Wegesrand blühen die schönen blauen Vergissmeinnicht. Hinter der Hainichbaude tauchen wir tief in den Buchenwald ein und es duftet herrlich nach Bärlauch. Der ganze Wald strahlt hell von den weißen Blüten. Wunderbar!
Ein Hinweisschild warnt uns davor, den Weg nicht zu verlassen, da wir uns nun auf ehemaligem militärischen Gebiet befinden. Hier rollten mehrere Jahrzehnte Panzer und es haben Schießübungen stattgefunden. Große Teile des jetzigen Nationalparks waren gesperrt. So blieb der Wald über Jahrzehnte unberührt und konnte sich wild entwickeln. Sein einzigartiger Reichtum an Pflanzen-, Tier- und Pilzarten hat ihn nicht nur 1997 zum Nationalpark verholfen, sondern seine alten Bestände an Buchen auch 2011 den UNESCO Weltnaturerbe-Status eingebracht. Was für ein Schatz mitten im Herzen von Deutschland!
Eine ganze Weile des Weges genießen wir den Blick hinunter auf das Dorf Behringen. Im Supermarkt decken wir uns mit Verpflegung ein und vertilgen diese genüsslich auf einer nahegelegenen Rastbank. Auf dem weiteren Abschnitt Richtung Hütscheroda begleitet uns ein Pirol mit seinem bezaubernden Ruf. Wir besuchen kurz die Info des Wildkatzendorfes und setzen unseren Weg fort.
Am nächsten Morgen brechen wir bereits um 07:30 Uhr auf und stören einen Feldhasen bei seinem Frühstück mitten auf dem Weg. Wir verweilen an der mächtigen und beeindruckenden „Dicken Eiche“. Auf dem Weg aus dem Nationalpark können wir eine der vertrautesten Vogelstimmen in Deutschland hören, die des Kuckucks. Wir verlassen nun den Nationalpark, der eingebettet ist in den Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal. Wir erreichen das noch verschlafene Berka vor dem Hainich und finden im Dorfkern einen gemütlichen und windgeschützten Platz für unser Frühstück bei noch kühlen 5 Grad. Rund um Bischofroda gibt es viele kleine Höfe mit Ziegen, Schafen und Pferden, an deren Anblick wir uns erfreuen. Wir schlängeln uns auf dem Bummelkuppenpfad langsam steil hinauf zum Harsberg und legen eine kleine Pause am Urwald-Life-Camp ein. Da heute Vatertag ist, hat leider kein Bäcker in Mihla geöffnet und so bereiten wir uns eine Suppe auf dem Kocher auf dem einladenden Gelände des Werra Rastgartens zu. Auf Vertrauensbasis nehmen wir uns dankbar zwei Getränke aus dem Kühlschrank.
Wir folgen nun eine Weile dem Werratal- Radweg, der gut von den Radlern angenommen wird. Wir entdecken hoch oben über der Werra zwei Seeadler, die ihre Kreise ziehen. Ich muss lächeln, denn allzu oft sieht man ihn nicht, wenn man nicht in Wassernähe wohnt. Auch wenn sich der Bestand erholt hat, sind es weniger als 1.000 Paare von Deutschlands größtem Greifvogel. Wir betreten das Naturschutzgebiet Nordmannsteine und wandern durch das Tal mit Blick auf ein riesiges, beeindruckendes Muschelkalkplateau. Hier hat die Werra einst steile, stark zerklüftete Felswände hinterlassen. Der Muschelkalk hier auf dem Höhenzug Hainich ist der Grund für die üppige Bärlauchblüte im Mai. Auf der 800 Jahre alten Werrabrücke machen wir eine längere Pause. Gleich mehrere Fotos schießen wir auf der ältesten, noch erhaltenen Natursteinbrücke in den östlichen Bundesländern. Aufgrund des Feiertags findet auf der Wiese ein Fest statt und wir freuen uns, in der Sonne sitzend, über frischen Apfelkuchen. Der kurze, knackige Anstieg vorbei an Wacholderbüschen hoch zum Aussichtspunkt Wisch wird durch einen fantastischen Blick zurück auf Creuzburg belohnt. Wir verweilen auf einer breiten Holz-Sonnenliegebank und lauschen der entfernten Musik auf dem Festplatz. Wir bewundern hunderte von Helm- Knabenkräutern und das purpurne Knabenkraut. Orchideen sind in Deutschland streng geschützt.
Trotz der Sonne und Hitze raffen wir uns auf und schon bald tauchen wir wieder ein in den kühlen, schattigen Buchenwald. Mit einer Gesamtfläche von etwa 16.000 Hektar ist der Höhenzug Hainich das größte zusammenhängende Laubwaldgebiet Deutschlands. Kurz vor Frankenroda überqueren wir ein zweites Mal die Werra und entdecken zwei Nilgänse, einen Höckerschwan und Graureiher.
Am dritten Tag starten wir gegen 8 Uhr vom Campingplatz Probstei Zella. Nach einer Weile sanften Anstieges erreichen wir den Eselskopf, wo wir ein Infoschild für eine Projektfläche des Thüringer Waldes West zum Schutz der Gelbbauchunke entdecken. Der künstlich angelegte Teich ist schnell gefunden. Zu unserem Erstaunen können wir mehrere Tiere dieser in Deutschland stark gefährdeten Art entdecken und freuen uns sehr darüber. Am Waldausgang kommt wie gerufen eine Pausenbank in der Sonne. Wir genießen unser Frühstück mit weitem Blick übers Tal und die goldenen Rapsfelder. Auch Nazza liegt in einem Tal, so dass wir mal wieder hinab wandern um gleich wieder hinauf die Burg Haineck zu erreichen. Dennoch halten sich während der gesamten Tour die Anstiege in Grenzen und sind leicht zu bewältigen. Nun geht es eine ganze Weile recht trostlos durch einen Forst entlang auf dem Rennstieg. Wir versuchen die einzigen, wirklich langweiligen Kilometer auf dem gesamten Hainichlandweg mit dem Naschen von Bärlauchblättern und den Knollen der Zahnwurz zu überbrücken. Immerhin, drei schöne Sitzgelegenheiten gibt es auf dem Abschnitt. Wir entscheiden uns für die Mareilebank. Die Pause versüßt uns ein Dompfaff mit seinem Ruf. Am frühen Nachmittag nehmen wir in Heyerode einen kleinen Umweg in Kauf, um uns im örtlichen Supermarkt einzudecken und sind so hungrig, dass wir uns auf einer Bank direkt an der Straße niederlassen. Mit vollen Mägen kämpfen wir uns den Weg wieder hoch zurück zum Wanderweg. Nun geht es ein gutes Stück auf dem asphaltierten Unstrut-Werra-Radweg entlang, der unseren eh schon müden Füßen gar nicht gefällt. An einer Sitzraufe lassen wir uns auf die Wiese fallen und dehnen und strecken unsere steifen und verspannten Muskeln. Der weitere Weg verläuft ohne größere Anstrengung und wir erreichen nach einem kurzen knackigen Anstieg die Schutzhütte St. Florian und genießen den schönen Blick auf Lengenfelde. Ich freue mich wie ein kleines Kind über einen weiteren Stempel in meinem „Touringen“-Stempelheft. Nur wenige hundert Meter weiter machen wir es uns auf einer Liegebank bequem und schauen hinab auf unser nächstes Ziel, dem Kloster Zella.
Am nächsten Tag ist es bewölkt, grau und es tröpfelt ganz leicht. Umso dankbarer sind wir, dass wir ausgiebig beim Bäcker in Struth frühstücken können. Wir fragen die Angestellte, ob öfter WanderInnen hier vorbeikommen. Einzelne Wenige, bestätigt sie unseren Eindruck. Im Mülhausener Wald schauen wir uns die Überreste des Außenlagers des KZ-Buchenwaldes an. Ich schnappe mir den Reiseführer von Roland Geißler, den ich regelmäßig und dankbar studiere und immer wieder interessante Fakten und Geschichten entdecke. Mittlerweile ist auch die Sonne herausgekommen. Wir erreichen erneut den Nationalpark und rasten am Nachmittag beim Hainich Haus in Kammerforst. Ich stehe vor dem üppigen Kuchenbuffett und kann mich kaum entscheiden. Im Hinterhof ist es ruhig und eine Frau kommt auf uns zu. Wie so oft auf unseren Touren, ist auch sie an unserer Strecke und unseren Erfahrungen interessiert. Unsere Trekkingstöcke verraten und unterscheiden uns zu den meisten TagesausflüglerInnen.
Nach einem kurzen Plausch geht es weiter und wir kommen an der imposanten ca. 800 Jahre alten Betteleiche vorbei. Hier wurde einst ein Loch in den Baum geschlagen, um abgelegte Gaben für die Mönche vor der Witterung zu schützen. Was für ein beeindruckender Baum! Wir schlendern durch das wildromantische Brunstal. Hinter dem Campingplatz in Weberstedt steigen wir durch „das Tor zum Hainich“ und schon erreichen wir unser Ziel, die Thiemsburg. Wir freuen uns einerseits gleich wieder auf der Couch zu liegen und könnten andererseits noch ewig weiterwandern.
Doch die nächste Tour steht bereits fest. Wir werden in den Sommerferien über zwei Wochen das „Gründe Band“ soweit laufen wie wir kommen. Bewusst haben wir uns entschieden mehr Deutschland zu erwandern. Der Hainichlandweg ist in sieben Etappen gegliedert. Wir sind recht sportlich unterwegs und bewältigen die 135 km in vier Tagen. Wir können den Hainichlandweg anstandslos empfehlen. Es gibt ausreichend Pensionen und Gasthöfe entlang des Weges und auch einzelne Supermärkte und Bäcker. Wer Natur, Abwechslung, Ruhe, Geschichte und auch Kultur sucht, ist hier im Herzen von Deutschland absolut richtig.
Ich hoffe, Euch hat mein Bericht mit meinen Erlebnissen und Eindrücken gefallen und inspiriert. Bei weiteren Fragen könnt ihr mich gerne unter Janice.kauert@nationalpark-hainich.de anschreiben.
Viele Grüße
Janice, Rangerin im Nationalpark Hainich