Der Nationalpark Hainich als „Urwald mitten in Deutschland“ weist eine beeindruckende Artenvielfalt auf. Das zeigt der zum Stand 31.12.2010 aktualisierte Artenbericht (im Internet unter www.nationalpark-hainich.de abrufbar). Insgesamt sind darin rund 8.600 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten enthalten. Vermutet werden aber weit mehr Arten: Die Schätzungen gehen von einer Artenzahl von weit über 10.000 aus! Seine nutzungsfreien Laubwälder bieten vielen seltenen und gefährdeten Pilz-, Pflanzen- und Tierarten Lebensraum und werden immer wichtiger, je länger sie aus der Nutzung sind. Mittlerweile liegt der letzte Laubholzeinschlag schon mehr als ein Jahrzehnt zurück, in Teilbereichen war die letzte Nutzung vor einem halben Jahrhundert.
Der Artenbericht listet alle bisher erfassten Lebewesen im Nationalpark auf: Von der 45 m hohen Buche bis zum 1 mm kleinen Käfer, von der bekannten – aber leider kaum zu sehenden – Wildkatze bis zur Pilzmücke, die nur dem Spezialisten vertraut ist. Bei den Wirbeltieren sind 49 Säugetierarten nachgewiesen, darunter die Wildkatze und allein 15 Fledermausarten, 189 Vogel-, 13 Amphibien- und 5 Reptilienarten. Bedeutend größere Zahlen erreichen die Insekten. Unter anderem sind 800 Schmetterlings- und fast 1.300 Zweiflüglerarten (Fliegen und Mücken) festgestellt worden. Die größte Gruppe mit derzeit 2.144 Arten sind die Käfer, fast ein Drittel aller Käferarten Deutschlands! 521 davon sind holzbewohnende Käfer, die auf den Nationalpark mit seinen alten Bäumen und seinem Totholzreichtum zum Überleben angewiesen sind. Insgesamt 500 gefährdete Käferarten, 26 Neufunde und 40 Wiederfunde für Thüringen unterstreichen den Wert des Hainich und seiner Wälder.
Als neue Artengruppen wurden u.a. Zikaden, Netzflügler und Hornmilben aufgenommen. Diese Artnachweise stammen aus Forschungsprojekten Dritter, wie den „Biodiversitäts-Exploratorien“ (Uni Jena) und dem Graduiertenkolleg (Uni Göttingen). Diese Projekte sind für beide Seiten vorteilhaft, da die Nationalparkverwaltung weder personell noch finanziell in der Lage wäre, diese umfangreichen und langfristigen Forschungsprojekte zu realisieren bzw. solch spezielle Artengruppen zu erfassen.
Sehr selten sind Pilzarten geworden, welche auf dickes Totholz angewiesen sind, ein Lebensraum, der im Hainich aufgrund der fehlenden Nutzung („Natur Natur sein lassen“) immer bedeutender werden wird. Gegenwärtig sind in Thüringen etwas 3.500 Großpilzarten bekannt, von denen im Hainich bisher rund 1.650 Arten nachgewiesen sind.
Immer wieder werden im Hainich Arten gefunden, die als ausgestorben galten oder bisher in Thüringen oder gar in Deutschland unbekannt waren. Dies unterstreicht gerade im Internationalen Jahr der Wälder, wie wichtig ungenutzte Wälder für die Erhaltung der Artenvielfalt sind.
Manfred Großmann |
Leiter Nationalparkverwaltung |